Nein, mir geht es nicht gut. Ein Satz, den man eigentlich gerne sagen möchte, wenn einem jemand nach dem Befinden fragt. Man hat aber keine Lust, demjenigen zu erklären, warum es einem nicht gut geht. Deswegen sagt man: Mir geht’s gut. Oder in Bayern auch: Basst scho.
Was aber, wenn es nicht nur ein kleines Wehwehchen oder ein schlechter Tag ist, sondern etwas gravierenderes? So wie ich mit meiner Depression. Würde ich auf die Frage Wie geht’s Dir? mit Schlecht. oder Nicht so gut. antworten, kämen sofort Fragen und man möchte genaueres wissen. Aber vielleicht möchte ich das gar nicht erzählen?
Oder ich habe einfach keine Lust darauf, Antworten zu bekommen wie Wird schon wieder. oder Jeder hat mal einen schlechten Tag. Auch gerne beliebt ist: Reiß Dich doch zusammen. oder Du musst einfach nur Deinen Arsch hoch kriegen.
Einerseits kann ich es ja auch verstehen. Die Menschen erleben mich ja nicht an meinen schlechten Tagen. An meinen schlechten Tagen, wenn die Depression wieder richtig meint Arschloch spielen zu müssen, gehe ich nicht aus dem Haus. Meistens noch nicht einmal aus dem Bett. Nicht, weil ich das nicht möchte. Sondern, weil mein Körper meinen Befehlen nicht mehr gehorcht.
Die Verbindung zwischen dem Teil des Gehirns, in dem der Geist lebt und dem Teil des Gehirns, in dem die Befehle an die Muskeln gesendet werden, scheint unterbrochen. Nun könnte man das einfach hin nehmen. Aber man ärgert sich. Man ärgert sich über sich selbst. Und zwar so lange, bis man sich selbst drüber ärgert, warum man sich eigentlich ärgert. Ich weiß doch selbst woran es liegt: ich bin krank.
![Klebezettel mit dem Text "Gesucht: neues Gehirn"](http://blog.smirne.net/wp-content/uploads/2017/09/Gesucht-neues-Gehirn-300x229.jpg)
Klebezettel in der psychiatrischen Tagesklinik. Verfasser: leider unbekannt
Vor zwei Jahren war ich für sieben Wochen teilstationär in einer psychiatrischen Klinik in Behandlung. Ich fühlte mich danach geheilt. Ja, wirklich geheilt. Ich empfand wieder viel mehr Freude, hatte Spaß am Leben und war aktiv. Leider habe ich einen entscheidenden Fehler gemacht: ich habe mich nicht um eine Anschlußbehandlung gekümmert. Wozu auch, mir ging es doch wieder gut.
Als dann die Tabletten nach und nach ausgeschlichen wurden, begann wieder der Abstieg – ohne, dass es von mir bemerkt wurde. Es war eben so schleichend, wie es auch vor der psychiatrischen Klinik aufgetreten war. Nur, dass ich dieses Mal früher gegensteuern konnte. Ich habe die Anzeichen früher erkannt.
Heute morgen bin ich um 8 Uhr aufgestanden. Was für mich schon eine tolle Erfahrung ist. Meist schaffe ich es erst zwischen 14 und 17 Uhr aus dem Bett und das egal, wann ich am Vorabend ins Bett gegangen bin. Ich habe gefrühstückt, Wäsche gewaschen, den Geschirrspüler eingeräumt und gestartet, bin einkaufen gegangen und habe mir ein Mittagessen gekocht. Was für einen gesunden Menschen ganz banal klingt, ist für mich ein Erfolg. Bereits mittags soviel geschafft zu haben baut auf. Hoffentlich geht es so weiter.
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